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AutorenbildBarbara Bierach

Glück ist Widerstand


Glücksgefühle sind schlecht für die Wirtschaft. Wer hier und jetzt sorglos glücklich ist, braucht keine Einzelhandelstherapie. Er will nichts und kauft auch nichts. Bucht keine Reise, erwirbt keine neue Versicherungspolice, sucht keine Abwechslung und schon gar keine Ablenkung.


Zum ersten Mal ist mir mit rund 25 aufgefallen, wie verstört meine Landsleute aussehen. Ich hatte einige Wochen in Afrika verbracht und mich daran gewöhnt, dass die Leute um mich herum sehr viel lachen und eigentlich immer lächeln. Trotz offensichtlicher Armut, mieser medizinischer Versorgung und angesichts von Touristen mit einem Lebensstandard, der für die einheimischen Kenianer vermutlich auf ewig unerreichbar bleiben würde. Aber egal, die Menschen in Afrika schimmerten förmlich vor Lebensfreude.


Danach stand ich dann wieder in München – erst vor einem missgelaunten Zollbeamten, der so tat, als würde Lächeln Geld kosten und dann vor den gehetzten, missmutigen Leuten in der Stadt. Nach all der afrikanischen Fröhlichkeit war es nicht zu übersehen: In Deutschland schuften zu viele Leute in Jobs, die sie nicht mögen, um mit dem Verdienst Sachen zu kaufen, die sie nicht brauchen, um damit Menschen zu beeindrucken, die sie nicht leiden können. Das Ergebnis sind lange Gesichter.

Und die sind gut fürs Geschäft. Je unzufriedener, ängstlicher und neidischer die Leute sind, desto eher sind sie bereit, zu konsumieren. Mach die Leute depressiv und die Kasse klingelt. Wie verkauft man falten-hemmende Kosmetik? Nahrungsergänzungsmittel und Diätprodukte? Sieh zu, dass die Leute sich alt und hässlich fühlen. Wie vertreibt man eine neue, noch teurere Mobiltelefone, wenn die alten noch funktionieren? Gib den Menschen das Gefühl, vom Fortschritt angehängt zu werden. Eine neue Küchenzeile? Erzähl ihn, dass sie sich besser fühlen, wenn die Nachbarn neidisch sind. Wie kriegt man sie dazu, sich bei einer weiteren Social Media Plattform anzumelden? Sag ihnen, dass das Leben anderswo stattfindet – und zwar ohne sie, wenn sie sich nicht sofort bei Twifacegrammchat anmelden. Mach ihnen vor allem Angst und die Versicherungspolicen fliegen nur so über den Ladentisch.


Glücklich zu sein, ist demnach ein revolutionärer Akt. Ruhig zu bleiben, Bücher aus der Bibliothek zu lesen und völlig ohne Update spazieren zu gehen, ist antikapitalistischer Widerstand. Dankbarkeit statt Neid, Zufriedenheit statt Unsicherheit, Recycling statt Konsum – so sieht der kleine private Frieden aus.


In diesen Sinne wünsche ich uns allen ein glückliches 2019!

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