Ich bin noch keine vier Wochen hier und schon habe ich die erste Einladung zum Tanz. Genau genommen ist es meine erste Einladung zu einem Tanz überhaupt. Abgesehen von ein paar wirklich völlig bescheuerten Karnevalsveranstaltungen war ich noch nie auf einem Ball!
Die protestantische Kirche im Nachbardorf Skreen bittet jeden Donnerstag abend zum Ballroom Dancing und mein Nachbar Orville hat mich gebeten, ihn doch bitte bei nächster Gelegenheit zu begleiten.
Orville ist irgendwo zwischen 70 und 80, hat einen Trekker, mit dem er durch die Gegend braust und einen dreibeinigen, irischen Schäfterhund namens Mary.
Mary ist ein Rüde.
Dass es ein Internet gibt, hat Orville vage mal gehört, hält solchen neumodischen Kram aber für ähnlich überbewertet wie Autos.
Leute wie Orville gibt es hier viele. Man kann in ihnen einsame alte Männer sehen mit wenig Geld. Oder aber Lebenskünstler, die das Beste aus den Gegebenheiten machen und sich in ihrer Erdverbundenheit nicht so ohne weiteres auf die teuren, anstrengenden, völlig abgedrehten, modischen Erfindungen der Neuzeit einlassen. Für Orville zählen seine Schafe, sein Dorf, seine Nachbarn, der Tanzabend in Skreen, Mary und das Wetter. Bei Regen ist es nämlich nicht so lustig, im Trekker rumzufahren. Auch muss man dann heizen und das bedeutet hier, einen Ofen mit Holz und Torf zu befeuern. Einfach nur die Zentralheizung anstellen, wie wir das so gewohnt sind, geht nämlich nicht.
Mangels Zentralheizung.
Das einzige Zugeständnis an das 21. Jahrhundert ist Orvilles Mobiltelefon. Kein Smartphone, das nicht. Aber eines, mit dem man die Nachbarn und den Tierarzt im Dorf anrufen kann. Ich bin nicht sicher, ob ich Orville um sein Gespür für Prioritäten beneiden oder Mitleid haben soll mit einem, der wie aus der Zeit gefallen ist.
Vermutlich beides.
Comments