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  • AutorenbildBarbara Bierach

Neulich, im Café



Der Ire an sich hat es nicht so mit Kaffeehäusern. Wer sich mit Freunden amüsieren oder was besprechen will, trifft sich im Pub. Es gibt Cafés in Irland, aber die sind eigentlich ein Angebot für Touristen. Oder für nostalgische Expats, die wissen, was „Kaffeekränzchen“ bedeutet. Ein Ausdruck, der übrigens unübersetzbar ist. Was schon für sich genommen Bände spricht.


Wie auch immer, da saß ich also bei einem Stück Kuchen und kam nicht umhin, den Deutschen am Nebentisch zuzuhören. Die redeten über das, worüber hier alle ständig reden: Brexit. Und warum er nicht stattfindet.

„So jetzt sind wir also in England?“, näselte die Dame.

„Nein wir sind in Irland, meine Liebe“, erklärte der Herr.

Ich riskierte einen Blick. Typische Deutsche: Teure Anoraks und vernünftige Schuhe. Beide Mitte 50 und gefangen im dem Versuch, auszusehen wie höchstens 40.

„Ja, DAS weiß ich schon“, kam es leicht genervt zurück. „Aber Irland ist doch am Ende auch England, oder nicht?”

Ich guckte mich verstohlen um und war froh, dass keine echten Iren zugegen waren. Die nehmen es nämlich schon mal übel, wenn man sie mit dem Erzfeind in einen Sack steckt. „Nun, was du meinst ist Nordirland. Die sind im United Kingdom“, sagte nun der Herr. „Wir sind jetzt in der Republic of Ireland. Im Süden.“

„Aha. Und was genau ist dann das Großbritannien, von dem immer alle reden?“

Gute Frage. Eigentlich wollte ich die Dame in den Arm nehmen, sie trösten und ihr erläutern, dass dies nicht mal die Briten selber wissen. Über diese Frage streiten sie seit Jahren – und bis an den Punkt, an dem sie jahrhundertealte demokratische Einrichtungen wie das britische Parlament und das Amt des Premierministers der Lächerlichkeit preisgeben. Aber ich hielt mich zurück. Fremde zu umarmen, das kommt nicht immer gut an.


Der Herr bemühte sich derweil, den geopolitischen Salat zu sortieren. „Großbritannien ist die Insel, auf der England ist. Und dazu Wales und Schottland.“

„Das ist aber verwirrend. Gehört Irland jetzt dazu oder nicht?“

Genau darum wird seit 800 Jahren oder länger gestritten. Und noch immer ist ein Teil der irischen Insel britisch. Was nicht allen gefällt, was die Mitte der 1980er Jahre mit jeder Menge Bomben, Kidnappings und Gewalt auch klar gemacht haben.


Der Herr nahm eine Abkürzung durch die Geschichtsbücher und sagte: „1798 haben die Iren abgestimmt. Und die im Norden wollten bei England bleiben.“

Das ist eine ungewöhnlich kreative Methode, die Rebellion von 1798 (in der Wolfe Tone mit Hilfe einer französischen Armee versuchte, die Briten aus Irland zu vertreiben) mit dem Vertrag von 1921 zu vermischen, der die Trennung der Insel besiegelte. Der Norden blieb britisch, der Süden wurde ein eigener Staat.


Die Iren wissen genau, wer sie sind – definieren sie sich doch seit 1000 Jahren über ihr Verhältnis zu den Briten. Die Briten jedoch... nun ja. Was ist übrig von Magna Carta, dem Empire und der stiff upper lip? Die Fähigkeit, an Bushaltestellen und Kneipentresen ordentlich anzustehen und abzuwarten. Keep calm and carry on.

Irgendwie traurig.

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