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  • AutorenbildBarbara Bierach

Frauen und Männer







Boa!

Ein kleines Inselchen im Lough Earne. Boa ist übrigens der Name der Insel und nicht etwa ein Ausruf des Entzückens, auch wenn der angemessen wäre angesichts der Landschaft. Eine Seenplatte wie mit einem gigantischen Pinsel in die grünen Hügel getupft: Silbrig-graue Spiegel, die mit dem Himmel verschwimmen. Was ist noch Wasser, was schon Wolke? Dazwischen Farmhäuser und Burgen; das eine so verlassen wie das andere.


Auf dem Inselchen nun der Caldragh Friedhof. Und auf dem Friedhof ein zweiseitig behauener Megatlith. Beide Seiten zeigen eine menschliche Figur, Rücken an Rücken, eine männlich, die andere weiblich. Gemeinsam haben sie nur das ineinander verwobene Haar, starren sie doch in entgegengesetzte Richtungen.


Die Einheimischen nennen den Stein „Januskopf“, aber mit dem römischen Gott hat er nichts zu tun. Er bildet vielmehr keltische Gottheiten ab, sagen die Forscher.


Alles Unsinn. Hier geht nicht um Götter, sondern um Allzumenschliches. Männer und Frauen. Auf ewig aneinander gekettet, auf ewig uneins. Für immer in verschiedene Richtungen strebend. Das Stoßmich-Ziehdich der Menschenwelt.


Ich stelle mir vor, wie vor vielen tausend Monden – sagen wir 800 Jahre vor Christus – ein Steinmetz neben einem glücklich verheirateten Paar wohnte. Kaum legte er Hammer und Meißel weg, hörte er Tag für Tag ihr Gezeter und sein Schweigen. Oder sein Gebrüll und ihre Widerworte. Krachend flog ein Holzeimer an die Wand, donnernd fiel die Tür ins Schloss. Später dann Geräusche der Versöhnung, ein paar Tage relativer Ruhe – und bald ging der Zoffs von vorne los. Alles so vorhersehbar, unauflöslich und unendlich wie der Reigen beim Dorftanz.


Der Steinmetz griff erneut zum Werkzeug und schuf, wie jeder Künstler, der diesen Titel verdient, einen Kommentar zu seiner Gegenwart. Frauen und Männer. Das Nicht-mit-dir-und-nicht-ohne-dich der Geschlechter.


Seinen Megalith verstehen wir heute noch genauso auf den ersten Blick wie seinerzeit das Paar in der Nachbarschaft des Steinmetz. Das dann ebenso grinsen mussten, wie ole Hubby und ich fast 3000 Jahre später.

Boa! Sag ich doch.

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