Neulich kam der olle Hubby nach Hause und verkündete, er habe Putschin mit gebracht.
Was meint der bloß? Hat er Putin mitgebracht, den russischen Präsidenten? Aber so geschmacklos ist er nicht, der Gatte. Oh, dachte ich, er meint Putschin. Aber der ist doch tot! Wir haben den Geist eines verstorbenen russischen Dichters im Haus! Dann fiel mir ein... der hieß doch Puschkin. Alexander Sergejewitsch Puschkin.
Geist stimmte allerdings – wenn auch nicht im Sinn von Gespenst. Der olle Hubby stellte eine Flasche auf den Tisch, ich machte sie auf, roch daran: Spiritus! Ein Wink mit dem Zaunpfahl, ein Aufruf zum Fensterputzen? Wie kann er es wagen! Der Mann, der glaubt, er habe Hand angelegt, wenn er an der Waschküche vorbeispaziert, kritisiert mich, eine deutsche Hausfrau? Ha!
Der olle Hubby jedoch nahm mit der üblichen Gelassenheit zwei Schnapsgläser aus dem Schrank, füllte sie großzügig und drückte mir eines in die Hand.
Whoops-a-daisy! Das Zeug riecht wie Spiritus, schmeckt wie Spiritus und hat einen Abgang wie eine Mischung aus Vodka und Benzin. Tatsächlich ist Poteen Moonshine – schwarz gebrannter Schnaps. Nachts treffen sich irischen Bauern seit Anbeginn der Zeit irgendwo in den Bergen und brennen aus Kartoffeln oder Getreide Poteen.
Gesprochen wird Poteen „Putschin“- das Wort ist gälisch. Es bedeutet so viel wie „kleiner Topf“ – gemeint ist die Distille, meist ein Kupferkessel auf einem Torffeuer. Und aus diesem kleinen Topf kommt ein dicker Kopf. Verboten ist das Zeug seit 1661, aber Verbote der (zumeist englischen) Obrigkeit haben in Irland bekanntlich noch nie jemanden gestört.
Das Zeug ist absolut tödlich, sogar wenn es sich um Ethanol handelt, für Menschen verträglichen Alkohol. Falsch gebrannt, ist es Methanol und macht blind. Auch das stört hier keinen, denn es gibt angeblich verlässliche Tests für die Genießbarkeit von Poteen. Anzünden zum Beispiel, was bei einem Alkoholgehalt von 60 bis 80 Prozent auch nicht weiter schwierig ist. Brennt Poteen lila, ist alles gut, brennt er jedoch rot oder orange, handelt es sich in der Tat um Putzmittel. Warscheinlich kommt der Ausdruck „blind drunk“ für „komplett besoffen“ daher - und in jedem irischen Dorf gibt es die Geschichte von einem Poteen-Besäufnis, bei dem irgendein Paddy ins offene Feuer fiel und zu besoffen war, um wieder raus zu krabbeln.
Irland wäre nicht Irland, gäbe es nicht sogar ein Gedicht über Poteen:
"There's a neat little still at the foot of the hill Where the smoke curls up to the sky, By a whiff of the smell you can plainly tell That there's poteen boys close by. For it fills the air with a perfume rare And betwixt both me and you As home we roll, we can drink a bowl Or a bucketful of mountain dew."
1997 haben die Behörden den Kampf gegen die Schwarzbrennerei schließlich aufgegeben und nun ist der Moonshine auch legal zu haben – vorausgesetzt, er wird bis zur Unkenntlichkeit verdünnt.
Die Idee war vermutlich, dem „Mountain Dew“ den rebellischen Charme zu rauben, indem er modisch wird. Und tatsächlich gibt es Poteen inzwischen auch bei Tescos zu kaufen. Neben Absolut Vodka oder Jameson Whiskey, gekennzeichnet als „Basis für Cocktails“. Die Leute an der irischen Westküste stört das keineswegs. Sollen doch die Touris das Zeug kaufen und 30 Euro für einen halben Liter rohen Kartoffelschnaps bezahlen! Sie selber gehen in die Berge, wie seit Jahrhunderten.
Ich für meinen Teil geh dann mal Fensterputzen.
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