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  • AutorenbildBarbara Bierach

Morbide Fantansien

Die Iren sind besessen vom Tod. Im Radio werden täglich auf allen Kanälen endlos lange die Todesnachrichten verlesen, die Zeitungen sind voller Todesanzeigen und beim Autofahren nähert man sich Kirchen besser nur vorsichtig mit dem Fuß auf der Bremse, denn oft wird ein Sarg vom Altar weg durchs ganze Dorf zum Friedhof getragen und sämtliche Bewohner des Örtchens wandern fröhlich quatschend hinterher.

Unser Onkel Ivan beispielsweise braucht keine Dinnerparties, keine Squash- oder Tennispartner oder sonstige soziale Aktivitäten, er geht zu Beerdigungen. Da trifft er sowieso alle. Anschließend gibt es jede Menge zu essen und die Gelegenheit, stundenlang mit den Nachbarn zu schwatzen und alte Bekanntschaften aufzufrischen, wenn die Verwandtschaft des Verstorbenen aus der Diaspora in London, Boston oder Perth anrückt, um den Sarg unter die Erde zu bringen.

Oft komme ich mir hier im County Sligo vor wie in einer Ausgabe von „Barnaby“, der britischen TV-Krimniserie. Die spielt in Midsomer. In den paar Dörfern in Oxfordshire sterben ständig jede Menge Leute und Chief Inspector Tom Barnaby kommt mit dem Leichen zählen kaum noch nach. Oft habe ich mich beim Gucken gefragt, warum die Leute in Midsomer wohnen bleiben, wenn den Menschen da doch an jeder Ecke der Sensenmann droht.

Nun lebe ich in Dromore West und hier wird auch beständig gestorben. Einen Tom Barnaby haben wir allerdings nicht, der hätte hier auch nicht viel zu ermitteln, denn die meisten lokalen Abgänge sind nicht Folge von Mord und Totschlag, sondern von Altersschwäche und Krankheit.

Was auch gut so ist, denn die heimische Polizei im ländlichen Irland wäre echten Verbrechern auch kaum gewachsen, scheitert sie doch schon daran, den Verkehr zu regulieren. Es klappt schon kaum, bei Beerdigungen Sargprozession und Autos soweit getrennt zu halten, dass es keine neuen Toten gibt. Alles andere führt zu kompletter Überforderung.

Neulich beispielsweise saß ich im Bus zu Flughafen, als ein Unfall auf der Bundesstraße Richtung Dublin einen Stau zu verursachen drohte. Die Gardai – irisch für Polizei – leitete prompt alle Fahrzeuge auf eine kleine Landstraße um. Leider tat sie das an beiden Enden des Problems gleichzeitig, also von zwei Seiten auf dieselbe kleine Straße. Mit dem Ergebnis, dass sich auf einer maximal drei Meter breiten Landstraße plötzlich Trucks und Busse gegenüberstanden, die jeweils rund 2,50 Meter breit sind. Ausweichen in die Wiese geht hierzulande auch nicht, denn eine typische irische Country Lane ist von Hecken gesäumt oder von Gräben, um den vielen Regen abzuleiten. Bis sich alles zentimeterweise im Rückwärtsgang wieder aus dem Blechpfropfen befreit hatte, waren Stunden vergangen und mein Flieger weg.

In dieser Situation bleibt einem wirklich nichts anderes übrig, als sich die irische Polizei selber zu stricken. Hab ich übrigens schon getan. Herauskam Emma Vaughan, die von mir erfundene Polizistin, deren zweites Abenteuer „Schweigegelübde“ im März 2018 bei Ullstein erscheint.

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So, und jetzt muss ich wirklich weg, im Dorf ist eine Beerdigung.


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