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Steile Lernkurve

Autorenbild: Barbara BierachBarbara Bierach

Der olle Hubby war in Cambridge und ist es gewohnt, zu den cleveren Leuten zu gehören. Ich war bloß in München an der Uni, hielt mich aber bisher aber auch für einen der smarteren Kekse in der Dose. Diese Eigenwahrnehmung ließ sich bislang ganz gut aufrecht erhalten, egal, wo wir uns auch rumgetrieben haben. Doch das hat sich nun erledigt. Wir sind in Irland - und mit der Aufgabe betraut, Charlesfort soweit in Stand zu halten, dass irgendwann die kommende Generation übernehmen kann. Ein Haus von 1781 gehört einem nicht, man ist nur der Steward oder Major domus, der dafür sorgt, dass das Erbe weiter gegeben werden kann.

Um das zu tun, müssen wir viel lernen und zwar schnell. Torf stechen. Feuer machen. Neue Kabel verlegen. Steckdosen und Lampen anbringen, neue Armaturen installieren. Duschtüren einbauen. Kettensäge benutzen, um Holz zu machen. Garage und zwei Scheunen vom den Hinterlassenschaften der Generationen befreien. Dabei unterscheiden, was Wert hat und was getrost auf den Müll kann. Die Schafe vom Nachbarn wieder einfangen, weil irgendein Depp (im Zweifelsfall yours truly) ein Gatter aufgelassen hat. Den Garten umgraben und entscheiden, welche Pflanzen im kommenden Frühjahr schön oder nützlich sein werden – oder beides – und welche einfach Unkraut sind. Rosen kann ich erkennen, Margueriten und Lavendel auch, Efeu sowieso, ebenso Rosmarin, Thymian und Salbei. Was den Rest der Flora betrifft, bin ich ahnungslos. Auffahrt mähen. Motor-Trimmer bedienen. Herausfinden, welche Art von Sprit man in den Mäher kippt. Links Auto fahren und mit links schalten (hatte bisher immer ne Automatik im Linksverkehr).

Nun gut, letzteres kann zumindest der olle Hubby, der ist ja auch hier und in England groß geworden. Aber sonst - bei allen dieses Betätigungen ist jeder lokale Kartoffelbauer unendlich mal schlauer als wir. Und weil wir uns so vergleichsweise dusslig anstellen, sind die Leute hier sehr nett zu uns. Mit Trotteln hat man schließlich Erbarmen.

Don, der Nachbar, ein pensionierter Klemptner, hilft, wo er kann und leiht uns sein Werkzeug. Orville schaut regelmäßig vorbei, um zu kontrollieren, dass wir uns beim Kabel verlegen oder Bohren noch nicht elektrisiert oder anderweitig umgebracht haben. Die Verkäufer bei Archer's  - das ist der nächst gelegene Baumarkt in Ballina – lassen uns alles zurück bringen oder umtauschen, was wir in unserer Ahnungslosigkeit zu viel oder falsch gekauft haben. Vermutlichen lachen sie über den kleinen dicken Briten und seine deutsche Frau... und recht haben sie. Wir lachen ja selber.

Ich habe Freunde, die mich mehr oder minder verschleiert fragen, ob wir noch alle Tassen im Schrank haben und falls ja, warum wir uns so ein Projekt hier antun. Andere Freunde meinen, wir sollten eine Klinik für gestresste Manager aufmachen. Hier bitte mal 12 Stunden am Tag Beete umgraben und Schafe wieder einfangen, das beruhigt nach einem Burnout ungemein. Und wenn das Feuer zum dritten Mal wieder ausgegangen und das Haus saukalt ist, gibt es so einem hoch wichtigen Sales Executive (vulgo: der olle Hubby) doch recht schnell das Gefühl fürs Wesentliche zurück. Der Aktienkurs von VW oder der Crash in China rücken da schnell in den Hintergrund.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Keiner ist überall schlau. Nette Nachbarn sind ihr Gewicht in Gold wert. Und nein, wir haben nicht alle Tassen im Schrank, die sind noch in einem Container auf einem Schiff, vermutlich irgendwo in Asien, Kurs auf Europa. Und Charlesfort wird auch uns überleben, wie schon die Generationen vor uns.


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